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Awareness-Konzept

CW: Erwähnung von übergriffigem Verhalten, Trauma, Tod, diskriminierendem Verhalten jeder Art

LUKS ist eine offene Gruppe und soll das auch bleiben. Das heißt, daß prinzipiell alle Menschen, die sich dafür interessieren, erst einmal bei uns Willkommen sind. Das soll allerdings nicht bedeuten, daß wir jedes Verhalten kritiklos hinnehmen. Diskriminierendes, übergriffiges und/oder (re-)traumatisierendes Verhalten werden wir nicht tolerieren, ebenso wie die Gutheißung, Verherrlichung oder Rechtfertigung autoritärer und menschenfeindlicher Regime, insbesondere des Nationalsozialismus.

Was ist Diskriminierung?

Unter dem Begriff der Diskriminierung verstehen wir jedes Sprechen, Denken und Handeln, das gesamtgesellschaftlich prävalent ist und sich bewußt oder unbewußt gegen besondere Gruppen von Menschen richtet, die nicht als Teil einer gesellschaftsmehrheitlich definierten Normalität angesehen sind. Hierzu zählen wir einschließlich aber nicht ausschließlich: Rassismus (das ist die Abwertung von Menschen aufgrund von Rassifizierung, i.d.R. von Menschen, die nicht als weiß, mitteleuropäisch und/oder „arisch“ gelten), Antisemitismus (das Gerücht von der Macht der Jüdinnen/Juden und der Wunsch, sie zu vernichten), Sexismus (die Abwertung von Frauen aufgrund ihrer Nicht-Männlichkeit), Queerfeindlichkeit (der Haß gegen alle Menschen, deren Geschlechtsidentität und Sexualität nicht der Normalität von heterosexueller cisgeschlechtlicher Monogamie entsprechen), Ableismus (die Herabwürdigung vom Menschen, die gesellschaftlich behindert werden), Antiziganismus (der spezifische Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja), Transfeindlichkeit (die besondere Queerfeinlichkeit gegen transgeschlechtliche Personen), etc etc. Wir sind der festen Überzeugung, daß es Diskriminierung nicht ‚von unten nach oben‘ geben kann, ergo daß kein Rassismus gegen Weiße oder Sexismus gegen Männer existiert.

Was ist übergriffiges Verhalten?

Übergriffiges Verhalten beinhaltet Diskriminierung und unerwünschte Avancen (siehe unten), ist jedoch nicht darauf beschränkt. Prinzipiell ist jedes Verhalten übergriffig, das die Grenzen einer anderen Person verletzt. Das können beleidigende Kommentare in Bezug auf Geschlecht, Geschlechtsidentität und -ausdruck, sexuelle Orientierung, Behinderung, Geisteskrankheit, Neuro(a)typizität, körperliches Aussehen, Körpergröße, Alter, ethnische Herkunft und Zugehörigkeit oder Bekenntnis sein. Oder unerwünschte Bemerkungen über den Lebensstil und die Lebensgewohnheit einer Person, auch in Bezug auf Ernährung, Gesundheit, Erziehung oder Elternschaft. Genauso ist es übergriffig, andere Personen zu misgendern und absichtlich „Deadnames“ (Namen, die eine Person früher verwendet hat und die sie inzwischen abgelegt hat) oder falsche Pronomina zu verwenden, oder eine Person ohne deren zustimmung vor anderen zu outen.
Wenn eine Person Dir private Infos anvertraut, behandle diese auch vertraulich! Mach auch keine Fotos, Audio- oder Videoaufnahmen von Menschen, ohne vorher deren ausdrückliche Zustimmung zur Aufnahme und Verwendung eingeholt zu haben.
Nicht übergriffig hingegen ist das – in angemessener Art und Weise – Kommunizieren von Grenzen wie z.B. „ich möchte das nicht“, „lass mich allein“, „geht bitte“ oder „darüber möchte ich mit Dir nicht diskutieren“. Auch wenn andere Menschen sich über ein Thema aufregen, schimpfen, fluchen, weinen, schreien etc. ist das erst mal nicht übergriffig (es sei denn, dabei werden andere Menschen getriggert (siehe unten)! Tone Policing hat bei uns keinen Platz. Und schließlich ist es auch niemals übergriffig, wenn andere Personen (Dein) übergriffiges Verhalten, Diskriminierung oder Grenzüberschreitungen kritisieren, ankreiden oder herausstellen.

Exkurs: Avancen und Konsens-Prinzip

Flirten, und angeflirtet werden, kann was Schönes sein, das wissen wir. LUKS ist nun aber kein Datingportal. Was also, wenn Dir diese eine Person super gut gefällt und du sie echt gerne näher kennen lernen würdest?
Ein Patentrezept gibt es nicht, aber ein paar Regeln, die das Zusammenleben für alle sicherer und angenehmer gestalten sollen. Erstens: auf Konsens achten. Wenn die Person grad nichts mit Dir zu tun haben will, ist das gut so. Dann laß sie in Ruhe. Frag die Person, ob das Interaktionslevel, auf das Du Dich begeben möchtest, für sie auch okay ist, achte auf Körpersprache und nonverbale Hinweise. Nur ein enthusiastisches, aus freiem Willen geäußerstes „Ja“ ist auch wirklich ein Ja. Und Menschen können jederzeit ihre Meinung ändern, das ist auch okay. Wenn ein Mensch nicht mit Dir befreundet oder in einer romantischen oder sexuellen Beziehung sein möchte, respektiere das. Wenn ein Mensch gerade nicht berührt werden oder an sexualisierten Aktivitäten teilnehmen möchte, respektiere das. Wenn ein Mensch gerade nicht mit Dir reden oder von Dir angesehen werden möchte, respektiere das.
Kommuniziere Deine Grenzen, achte auf Dich und andere, und respektiere die Grenzen anderer. Dann haben alle einen schönen Abend.

Was ist (Re-)Traumatisierung?

„Trauma, das: Belastendes Ereignis, das durch Konfrontation mit drohendem oder tatsächlichem Tod, ernsthafter Verletzung oder Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit […] der eigenen Person oder anderer Personen gekennzeichnet ist. Ein solches Trauma kann zu psychischen Problemen/Störungen [im med. Sinne, Anm. d. Verf.] führen.“ (Becker et al., 2022) Ob, wie, wovon und warum ein Mensch traumatisiert ist, kann man ihm nicht ansehen.
Respektiere die Grenzen anderer. Nicht jede Person fühlt sich mit jedem Gesprächsthema wohl. Nicht jede Person möchte umarmt/angefasst/in die Augen gesehen werden. Wenn Dir das kommuniziert wird, beachte das!
Wenn Dir etwas zu viel ist und Du einen Rückzugsraum oder Unterstützung wünschst, kannst Du uns gerne danach fragen, und wir unterstützen Dich nach Kräften. Wir können Dich nach Hause begleiten, mit Dir über eine belastende Situation, die Du bei uns erlebt hast, reden, und Dich dabei unterstützen, das Erlebte zu bewältigen. Allerdings gibt es (Stand jetzt) keine qualifizierten Fachkräfte für psychische Erste Hilfe bei uns. Wenn Du also merkst, daß Du gerne weitergehende Hilfe hättest, wende Dich bitte rechzeitig an eine Fachkraft. Das soll nicht heißen, daß Du nicht trotz eventuell vorhandener Traumata bei uns Willkommen wärst, nur, daß wir Dir nur im Rahmen unserer Möglichkeiten Hilfe bieten können und keine Expert*innen sind.

Exkurs zwei: Psychotrope Substanzen

(aka Drogen aka Rauschgifte)
Menschen nehmen seit unvordenklichen Zeiten Drogen. Das ist erstmal ein Fakt. Wir haben als Gruppe dazu weder eine einheitliche Meinung noch möchten wir uns tiefergehend mit den soziopolitischen Implikationen befassen (es sei denn, wir machen jetzt gerade eine Vortragsreihe zu dem Thema, was echt ein großer Zufall wäre).
Wir respektieren, daß manche Menschen (gerade solche mit Suchterfahrungen, aber auch alle anderen) damit nicht in Kontakt kommen möchten. Deswegen sind unsere Plena ein drogenfreier Raum. Dazu gehört auch, daß wir während der Plena keinen Alkohol konsumieren (ja, auch das ist eine Droge).
Es ist allerdings gut möglich, daß Menschen von LUKS nach einem Plenum noch in eine Kneipe gehen, Tabak rauchen oder neuerdings auch Cannabis konsumieren. Wenn Dir das unangenehm ist, Du aber trotzdem gerne nach einem Plenum noch dabei sein magst, sprich das gerne an, damit wir eine Lösung finden können, mit der alle zufrieden sein können!

Vorgehen

Wer meint, bei uns trollen zu müssen, und wiederholt vorsätzlich oder fahrlässig gegen diese Prinzipien verstößt, wird nach Diskussion im Plenum (nötigenfalls nach Abstimmung mit einfacher Mehrheit) santioniert und womöglich der Gruppe verwiesen und ist in diesem Fall auch nicht länger bei Veranstaltungen, die von LUKS organisiert werden, Willkommen.

Wir sind uns bewußt, daß Fehler zu machen menschlich ist, und wir werden niemanden für Fehler bestrafen. Wenn Menschen sich ungewollt rassistisch, sexistisch, antisemitisch etc etc äußern oder verhalten, werden wir das ansprechen und uns darum bemühen, Mißverständnisse aufzuklären und im Gespräch herauszuarbeiten, wie unsere Positionen dazu aussehen und weshalb sie so sind, wie sie sind. Unwissenheit schützt vor Schaden nicht, aber wir möchten uns darum bemühen, Wissenslücken zu schließen und über Diskriminierung aufzuklären.
Wenn Menschen dennoch wiederholt unbeabsichtigt durch diskriminierende Aussagen und/oder Verhalten auffallen sollten, werden wir das Gespräch mit den betreffenden Personen suchen und versuchen, die Gründe dafür herauszuarbeiten. Für den Fall, daß die Betreffenden nicht einsichtig und nicht bereit sind, etwas an ihrem Verhalten zu ändern, behalten wir uns vor, nach Diskussion im Plenum (nötigenfalls nach Abstimmung mit Zweidrittel-Mehrheit) die Person der Gruppe zu verweisen.

Wir sind uns der Problematik autoritärer Gruppendynamiken und -strukturen wohl bewußt und bemühen uns darum, diese nach besten Möglichkeiten aufzubrechen und abzuschwächen. Gleichzeitig erkennen wir an, daß Toleranz an der Stelle enden muß, wo sie gegen sich selbst instrumentalisiert wird. Diskriminierung hat bei LUKS keinen Platz und wir das auch in Zukunft nicht haben, und wir werden alle nötigen Maßnahmen treffen, um fortwährendes diskriminierendes Verhalten bei LUKS auszuschließen. Dabei soll dieses Awareness-Konzept sowohl als Grundlage unseres Verhaltens als auch als letzte Ressource, die erst dann zum Einsatz kommen soll, wenn alle anderen Optionen gescheitert sind, dienen.

Bei inhaltlichen Streitigkeiten zwischen Mitgliedern von LUKS und nur in Fällen, in denen keine direkt von Diskriminierung betroffene Person auszumachen ist, haben beide Parteien das Recht, je eine Schlichter*in zu berufen, die sich zusammen bemühen werden, den Streit im Gespräch (sofern Gewünscht zusammen mit der betreffenden Einzelperson) beizulegen.

Prinzipien

Wir glauben Betroffenen (und hören ihnen zu)
Wenn wir von einer von Diskriminierung betroffenen Person erfahren, was ihr angetan wurde, dann hören wir ihr zu und schenken ihr uneingeschränkt Glauben. Das einzige, was zählt, ist die Sicht der betroffenen Person, nur sie kann beurteilen, ob und inwieweit sie diskriminiert wurde, und ihr alleine steht es zu, Ansprüche an die Täterperson zu stellen. Wir stellen ihr Erleben weder in Frage noch versuchen wir die Diskriminierung zu relativieren oder zu rechtfertigen.

Keine Polizei (sofern möglich)
Die Polizei stellt für viele von Diskriminierung betroffenen Menschen keinen sicheren Anlaufpunkt dar. Oftmals müssen sie mit Diskriminierung auch durch staatliche Stellen leben. Wir wollen keine Mehrbelastung und keine Retraumatisierung für Betroffene. Wenn die betroffene Person nicht ausdrücklich das Einschreiten der Staatsmacht möchte, wird sie nicht eingeschaltet.

Kein ‚Einzelkampf‘ (Konsensprinzip)
Auch wenn Du mit etwas, das Du hier siehst oder erlebst, überhaut nicht einverstanden bist: Einzelkampf geht nicht. Sprich mit einer Vertrauensperson und dem Plenum darüber. Wenn Du willst kann eine bestimmte Person, die Dir gegenüber übergriffig oder diskriminierend geworden ist von solchen Besprechungen ausgeschlossen werden, das ist überhaupt kein Problem. Aber das Vorgehen gegen übergriffiges und diskriminierendes Verhalten erfolgt bei LUKS immer konsensuell und in Absprache mit den anderen, und ist niemals ein heroisches Duell von Gut gegen Böse.

Kein Dogmatismus
Die Gruppenmeinung ist weder heilig noch allgemeingültig und schon gar nicht unfehlbar. Wenn es so etwas wie eine Ideologie bei LUKS gibt, dann konstituiert sie aus den Ansichten der einzelnen Mitglieder, ist einem ständigen Wandel unterworfen und ist so fehlbar wie wir selber. Wenn Du mit etwas, das wir gepostet/gesagt/getan haben nicht einverstanden bist, sprich mit uns darüber (es sei denn, Du bist ’n Fascho, aber das sollte eh klar sein). Solche Diskussionen finden ausschließlich gruppenintern und vertraulich statt. Wir sind bestrebt, unsere Ideologie beständig zu hinterfragen und nach Möglichkeit aufzubrechen.


Becker, E. und Pschyrembel Redaktion (2022). Trauma [psychisch]. In Pschyrembel Klinisches Wörterbuch. Mit klinischen Syndromen und Nomina anatomica. Herausgegeben von Pschyrembel Redaktion. Walter de Gruyter.

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