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Studentische Hochschulgruppen kritisieren den Umgang der Universität Passau mit queerfeindlichen und antisemitischen Vorfällen

Pressemitteilung der Grünen Hochschulgruppe Passau (GHG), der Juso-Hochschulgruppe Passau (Juso-HSG) und der Liste der unabhängigen kritischen Student*innen (LUKS) vom 03.03.2024

In einer großen Chat-Gruppe von Studierenden der Universität Passau kam es vor wenigen Tagen zu schwerwiegenden antisemitischen und queerfeindlichen Aussagen. Mittlerweile ermittelt deswegen auch die niederbayerische Polizei wegen Volksverhetzung. Zudem haben Studierende den Vorfall den Meldestellen RIAS und Strong! gemeldet. Die Grüne Hochschulgruppe (GHG), die Juso-Hochschulgruppe (Juso-HSG) und die Liste der unabhängigen kritischen Student*innen (LUKS) fordern nun eine klare Stellungnahme der Universitätsleitung gegen Antisemitismus und Queerfeindlichkeit, den Aufbau von Meldestellen und Angebote zur Unterstützung von Betroffenen sowie eine umfängliche Auseinandersetzung mit menschenfeindlichen Ideologien an der Universität Passau.

Dass eben auch Universitäten von Antisemitismus, Queerfeindlichkeit, Rassismus und Sexismus nicht frei sind, zeigte sich gerade in den letzten Jahren wiederholt. Besonders seit dem Pogrom am 7. Oktober letzten Jahres tritt Antisemitismus an Universitäten weltweit immer offensiver und deutlicher auf. Doch während es Anfang Februar durch einen Studierenden der Freien Universität Berlin sogar zu einer schweren Körperverletzung eines jüdischen Studierenden wegen antisemitischer Motive kam, schien es in Passau bisher eher ruhig zu sein. Doch die antisemitischen und queerfeindlichen Nachrichten machen deutlich, dass sich die gesellschaftlichen Tendenzen auch an der Universität Passau wiederfinden. Hierzu gab die Passauer Universitätsleitung am Mittwoch eine Stellungnahme gegen Diskriminierung, für Toleranz und Wissenschaftsfreiheit heraus.

„Antisemitismus und Queerfeindlichkeit müssen auch bei uns in Passau ernst genommen und bekämpft werden“, meint Rebekka Amann (Juso-HSG). „Seit Jahren leisten wir auf dem Campus schwere Arbeit, um auf Menschenfeindlichkeit und Diskriminierung in der Universität hinzuweisen. Wir sind froh, dass sich nun auch die Universitätsleitung endlich positioniert und menschenfeindliche Positionen verurteilt. Doch zugleich müssen wir feststellen, dass das Statement der Universitätsleitung nicht in der Lage ist, das Problem, welches sich in den antisemitischen und queerfeindlichen Nachrichten zeigt, klar zu benennen und sich hinter Toleranzfloskeln versteckt wird“.

Die Hochschulgruppen kritisieren unter anderem, dass in der Stellungnahme der Universitätsleitung die katastrophalen Vorfälle nicht einmal erwähnt werden. Stattdessen werde nur allgemein auf Umgangsformen, Toleranz und die Freiheit der Wissenschaft verwiesen. So komme das Statement der Universität zusammenhangslos und der Vorfall werde letztlich unter den Teppich gekehrt. Ein Versagen, nennen es die Hochschulgruppen. Sie sind unzufrieden, denn wie in den vergangenen Jahren wird nach sexistischen, rassistischen und antisemitischen Vorfällen keine ernsthafte Konsequenz in der Universität gezogen, sondern nur möglichst großspurig auf Konsequenzen, Toleranz und die schwere Betroffenheit der Universitätsleitung verwiesen werde.

„Seit Jahren arbeiten wir und andere in der Universität gegen eine Wand, wenn es um die Aufarbeitung und Prävention von Menschenfeindlichkeit geht. Egal ob sexualisierte Übergriffe in Bibliotheken, rassistische und sexistische Ausfälle von Dozierenden oder antisemitische Chat-Nachrichten – im besten Fall gibt es als Reaktion große Worte und es wird kurzfristig versucht, kostengünstig zu simulieren, dass man ja etwas machen würde. Im schlechtesten Fall bekommt man den Vorwurf der Nestbeschmutzung, weil auf die Missstände hingewiesen wird. Gelder für Meldestellen und zur Betreuung von Betroffenen werden jedoch nicht bereitgestellt“, so Lorenz Elter (GHG). „Im Gegenteil!“ fügt Menja Lorenz (GHG) hinzu. „Die gesetzlich vorgeschriebene Ansprechstelle für Antidiskriminierung der Universität Passau ist noch immer nicht eingerichtet. Auch eine ernsthafte Sensibilisierung für die Probleme innerhalb der Universität scheint für die Universitätsleitung das private Problem einiger weniger zu sein“.

Nichtsdestotrotz ist man dankbar für die Stellungnahme der Universitätsleitung, heißt es von den Hochschulgruppen. Zu Recht wird mangelnde Zivilcourage kritisiert, denn wenn in der Chatgruppe von knapp 1000 Mitgliedern nur eine Handvoll Personen es schaffen zu widersprechen, ist das unhaltbar. Allerdings geht das Problem tiefer, als dass es mit einigen kurzfristig organisierten Workshops der Polizei repariert werden kann. Die Pläne des Diversity-Audit für langfristige Antidiskriminierungsstrukturen sind in den Augen der Hochschulgruppen sehr gut, aber auch hier kritisieren sie, dass ein Plan, den man nicht umsetzt, mehr Schein als Sein ist. Über mehr als zwei Jahre haben dort über 50 Mitglieder der Universität, quer durch alle Statusgruppen und Fakultäten, getragen von der Vizepräsidentin für Internationales und Diversity Prof. Hansen und der Stabsstelle Diversity und Gleichstellung, Strukturen, Instrumente und Maßnahmen entwickelt, um diverse Personengruppen besser in den Hochschule einzubinden.

„Besonders ärgerlich ist es für uns, wenn wir Studierenden seit Jahren auf die Missstände hinweisen und dringend nötige Aufklärungsarbeit organisieren, aber damit in der Universität alleine auf weiter Flur stehen“, meint Lea Dahms, die studentische Senatorin der Juso-HSG. „Wenn etwas passiert, versucht die Universitätsleitung im Krisenmodus Schadensbegrenzung zu betreiben. Wir freuen uns sehr, dass sich nun auch die Universitätsleitung für die ‚Never again! Gegen autoritäre und faschistische Tendenzen‘-Veranstaltungsreihe des AStA/Sprecher:innen-Rates interessiert. Noch mehr würde uns allerdings freuen, wenn es ein dauerhaftes Interesse ist und nicht nur der panische Versuch, sich auf die Schnelle mit fremden Federn zu schmücken, damit es so aussieht, als wäre die Universitätsleitung seit längerem selbst schon aktiv“.